Das fragte mich eine Detmolder Freundin, mit der ich öfter telefoniere.
“Wie kommst du jetzt auf diese alte Kiste?”, staunte ich, “das ist doch fast Jahrzehnte her”
Und dann erzählte ich Ina, was es mit dem geheimnisvollen Kasten auf sich hatte:
Mein Vater war, außer mit seinem Militär-Tick, noch von diversen anderen Schrullen befallen. Eine davon war sein heiliges Telefon. Eigentlich beharrte er auf traditionellen Geräten. Aber Kurbeltelefone und das freundliche Fräulein vom Amt waren längst Geschichte. So hatten wir ein Telefon mit Wählscheibe mit einem kurzen Kabel.
Nun reiste Vatern mit seinem Gartenbauverein nach England. Dort lebte ein entfernter Verwandter von ihm. Der war Professor an einer adventistischen Hochschule in Windsor.
Den wollte Vatern unbedingt besuchen, was ihm auch gelang. (Der arme Gartenbauverein …).
Zurück in Deutschland ging es in einer Tour “Konrad hat … Konrad sagt … Konrad macht...”
Konrad-dies und Konrad-das. Wir konnten den Namen Konrad bald nicht mehr hören.
Und natürlich ließ Vatern diesen hoch zu ehrenden professorlichen Kontakt nicht wieder einschlafen.
Oft rief er in England an. Diese Telefonate dauerten. Deshalb schaffte er sich einen wuchtigen gepolsterten Schaukelstuhl an.
Dann kam die Telefonrechnung …
Vatern ließ Muttern und mich antreten und strammstehen, dann brüllte und kreischte er in den höchsten Tönen: “Wie könnt ihr es wagen, mein Telefon zu benutzen! Nur ich als Herr des Hauses habe zu entscheiden, wer telefonierten darf! Verstanden?!”
“Jawohl, Herr Oberfeuerwerker!” war die Antwort, die er darauf erwartete.
Das allein reichte ihm jedoch nicht. Er schaffte ein kleines Schloss an, womit man die Wählscheibe blockieren konnte. Den Schlüssel dazu bewahrte er in seinem Geldbeutel auf.
Aber … o Schreck! … die nächste Telefonrechnung war sogar noch höher!
Antreten, Strammstehen, just the same Procedure …
Hier mussten offenbar schwerere Geschütze aufgefahren werden, und zwar in Form einer Munitionskiste!
Wieso das? Ganz einfach. Darin wollte er sein heiliges Telefon einschließen. Er verschwand mit der grünen Kiste in seiner Werkstatt, und bohrte ein Loch in die Seitenwand.
Ätsch! Das war Trick siebzehn mit Selbstüberlistung.
Das Kabel saß nämlich fest am Telefonanschluss!
So brauchte Vatern den ganzen Sonntag für eine genaue Konstruktionszeichnung für den geplanten Kabelschlitz auf seinem technischen Zeichenbrett. Den Schlitz in die Kistenwand zu kriegen und Löcher für das Vorhängeschloss zu bohren dauerte nicht mal halb so lange.
Mit befriedigt-hämischen Gesichtsausdruck versenkte Vatern das heilige Telefon in diesen “Blechsarg”, hängte das dicke Schloss ein und sperrte ab!
Mein größter Wunsch war stets, er möge doch den Schlüssel verlieren …
Muttern plagten andere Sorgen: dieser häßlich grüne Kasten passte nicht zum “hochherrschaftlichen” Anblick unserer Protzdiele!
Wie schrecklich! Was sollen denn die Leute sagen? Welche Leute? So viel Besuch verirrte sich wirklich nicht zu uns.
Da half kein Jammern, die Kiste blieb! So verschönte Muttern das gute Stück mit einem Häkeldeckchen und einem Väschen mit Stoffblümchen.
O Graus. Das passte zusammen wie Knoblauch und Kirschlikör ...
Nun hatte Vatern in seinem Gartenbauverein neue Mitglieder kennen gelernt.
“Stellt euch vor, einer ist Mediziner und der andere sogar Kriminalkomissar!” So prahlte er mit seinen neuen “Freunden”. Komisch, Doktoren und Polizisten gibt es doch mehr. Was ist daran so besonders? Er hatte sich fest vorgenommen, diese beiden zu sich nach Haus einzuladen.
Von Großwildjägern weiß ich, dass sie die Köpfe ihrer Trophäen an die Wand hängen. Das würde bei diesen beiden aber nicht funktionieren.
Ach so, ja, jetzt fiel es mir wieder ein. Diese Prozedur hatte ich schon öfter gesehen. Da schraubte Vatern seine gute Kamera mit Selbstauslöser auf ein Stativ, und dann wurden seine “Eroberungen”, mit ihm dazwischen fotografiert und so für sein vermeintlich ehrfürchtiges Publikum festgehalten.
An einem schönen Sonntag Nachmittag drang das gedämfte Klingeln des Telefons aus der Kiste. Muttern, dienstbeflissen wie immer, sprang auf und rannte zum Telefon.
Bestimmt wollte ihr der Herr des Hauses seine Befehle erteilen.
So war es auch. Dabei hatte Vatern nur vergessen, dass er allein der Hüter des Telefonkastenschlüssels war.
Wenig später erschien er, mit seinen hochwerten Gästen im Schlepp - und nichts war vorbereitet. Er schrie Muttern fürchterlich an, sie rannte weinend ins Haus. Vatern folgte ihr, wüste Drohungen ausstoßend, die beunruhigten Besucher dicht auf den Fersen.
Vor dem Telefonkasten endete die Jagd, weil Muttern auf der ersten Treppenstufe gestürzt war …
Später erkundigten die Männer sich, was es mit dem komischen Kasten auf sich habe. Und Vatern berichtete.
Vielleicht hatte er jetzt begriffen, dass die Kiste ihn auch nicht vor hohen Telefonrechnungen schützte. Noch am selben Abend verschwand die Munitionskiste im Keller.
Hochgeladen am 18.07.2008 von Mc Wookie
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