Montag, 23. Dezember 2013

WEIHNACHTEN: Du gönnst mir aber auch gar nichts!

Frieden im Himmel und auf Erden? Im Himmel? Keine Ahnung, da war ich noch nicht. Und auf Erden? Wenn es anderswo auch so zuging wie bei meinen “Eltern”, wäre “Angriff!” oder “Klar zum Gefecht” passender. 

Das fing schon einige Tage vor den Feiertagen an. Da fiel es Muttern ein, das ganze Haus richtig auf Hochglanz zu bringen. Eigentlich nicht nötig, bei uns hätte man durchaus  kleinere Notoperationen auf dem Wohnzimmertisch durchführen können. Tiere, Staub oder gar Bazillen hatten strengstes Hausverbot! 

Trotzdem: “Ach du meine Güte! Weihnachten! Und das Haus ist noch nicht geputzt!” Das war Mutterns alljährlicher Schreckensschrei. 

Komisch. Kommt Weihnachten denn immer so plötzlich? Eigentlich sollte sie es doch langsam wissen. Dann kam das große Räumen. Alles musste von außen, innen und dahinter porentief rein gewienert sein. Bei anderen Leuten roch es nach Tannen und Weihnachtsgebäck, bei uns nach Staubsauger und Putzmittel … 

War die Putzwut erst einmal ausgebrochen, gab es kein Halten mehr. So tobte der Wirbelsturm auch durch meine sparsam möblierte “Kinderabstellkammer”. Wie sonst auch immer kippte Muttern meine Schreibtischschubladen mit Schwung auf den Boden. Gerade wollte sie über mein Chaos loszetern - da wurden ihre Augen starr. Was hatte sie nur so erschreckt? Eine Blindschleiche war keine drin, aber was dann? 

“Was ist das hier? Woher hast du das? Sag sofort, wer dir das gegeben hat! - Adolf! Adolf! Komm schnell! Deine missratene Tochter hat sich Geschenke erbettelt! Tu doch was!” 

Mir blieb der Mund offen stehen. Was Muttern mir anklagend entgegen streckte, waren Weihnachtsgeschenke. 

Eigentlich hätte sie doch das Jahrzehnte alte Geschenkpapier aus unserer Weihnachtskiste erkennen müssen. Seit ich in Deutschland war, hatten meine “Eltern” nicht einmal Geschenkpapier gekauft. Das Papier vom Vorjahr wurde sorgsam geglättet und Tesafilmschnipsel abgepuhlt. 

Das rote Papier mit den aufgedruckten Schaukelpferdchen und Lebkuchen  und das dunkelgrüne mit den Strohsternen  gehörte doch schon ewig zur Familie. 

Jetzt nicht mehr. Unter Mutterns wütend reißenden Fingern hauchte es sein langes Leben aus. 

“Das hier nehme ich mit! Schäm dich! Was sollen denn die Leute sagen?” 

Damit rauschte sie davon, samt Weinbrandbohnen (für Muttern), Riesenmarzipanbrot (für Vatern), Gewürzseife (für Mutterns Schwester) und der Riesennussschokolade (für Halbbruder Wotan). 

Sachen, Sachen ihr entschwandet - und kein Geld für neue Weihnachtsgeschenke. Mit damals monatlich fünf Mark (nicht Euro!) Taschengeld konnte ich keine großen Sprünge machen. 

Dann kam der so genannte HeiligabendUnd damit die “ schöne Bescherung”. 

“Hast du es nicht einmal für nötig befunden, uns eine Kleinigkeit zu schenken!?” krähte Vatern anklagend und nahm mir mein noch nicht ausgewickeltes Päckchen gleich wieder weg. 

“Uffta, Glück gehabt”, dachte ich und sah den anderen beim Auspacken ihrer Geschenke zu. 

Ich hatte ein mittelschweres Strafgericht befürchtet. 

Dann bekam ich fast Stielaugen: Muttern hatte einen Fotoapparat von Vatern bekommen! Der sah genau so aus wie meiner, den mir Vatern letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte. 

Das gute Stück war sehr billig verkauft worden, weil ein LED nicht funktionierte. Wenn Belichtung usw. richtig eingestellt war, leuchtete es grün und man konnte knipsen. 

Ich hatte meinen Fotoapparat freudestrahlend ausprobiert und lauter nachtschwarze Fotos geschossen. Da hatte ich den Knipskasten enttäuscht in mein Regal gelegt und nicht mehr benutzt. 

Nun hatte Muttern offenbar den gleichen bekommen. Auch bei diesem funktionierte das bewusste LED nicht. Ahnungsvoll rannte ich nach oben in mein Zimmer, um nach meinem Fotoapparat zu schauen. 

Der war nicht mehr da … 

Zurück im Wohnzimmer fragte ich: “Papa, mein Fotoapparat ist weg, ist das da meiner?” 

Vatern blies sich auf: “Natürlich ist das deiner, aber jetzt gehört er Mutter! Du hast ihn ja nie benutzt!” 

“Aber - du kannst doch nicht einfach meine Sachen verschenken, der gehört immer noch mir!” 

Theatralisch schluchzend unterbrach Muttern mein Schimpfen:
“Du gönnst mir aber auch gar nichts!” 

Na dann: Frohe Weihnachten! 


Hochgeladen am 24.12.2009 von Gerhard Magerkurth

Übernommen von Over-Blog

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