Geburtstag? Volle Deckung! Schleunigste Flucht! Das fällt mir zum Thema “Geburtstag” ein. Wie das? Weil in meinen neuen deutschen Papieren der 22. Januar angegeben war, sah Muttern sich gezwungen, diesen Tag festlich zu gestalten. Was sie auch gründlich tat.
Arglos kam ich mittags aus der Schule, mir sagte das Datum gar nichts. Dafür hing mein Magen - wie immer - in den Kniekehlen. Irgendwas stimmte da doch nicht - vorsichtig schlich ich mich ins Haus und … haa! Schreck! Diese Stimmen aus dem Wohnzimmer kannte ich nur zu gut:
Der schräbbellige Kommandoton gehörte eindeutig zu Tante Waltraud, einer zänkischen rechthaberischen Walküre. Die brachte mir jedes Jahr eine Flasche Kölnisch Wasser zum Geburtstag mit. Das war dieses Zeugs, womit sich Omas überschütten, wenn sie mal weggehen. Dafür musste ich mich natürlich herzlich bedanken.
Und Muttern bediente sich an dieser Flaschengalerie, wenn sie zu einer älteren Verwandten zum Geburtstag eingeladen war. Praktisch, zumal die Flaschen alle noch in Blümchenpapier eingewickelt waren, sogar die obligatorische Schleife war noch dran. Nur die Glückwunschkarte musste sie neu schreiben ...
Die andere Stimme gehörte zu einer - wie Muttern glaubte - höchst gebildeten Dame. Eingebildet traf es eher. Diese Frau bevölkerte des öfteren unser Wohnzimmer und brachte Muttern Kultur bei.
Das versuchte sie auch bei mir. Gut kann ich mich an ein kleines gebundenes Büchlein mit Nobel-Schutzumschlag erinnern. Das Ding sah teuer aus und war es sicher auch.
Thyde Monnier: Unser Fräulein Lehrerin, so hieß das stinklangweilige Stück.
Na, dann lieber unkultiviert. Ein Buch, in dem ein junges Mädchen über drei Seiten braucht, um eine einzige Blume abzupflücken - das ist kein Geschenk, sondern ein Attentat.
Auf Zehenspitzen schlich ich mich in die Küche, wo meine Geburtstags-Tütensuppe noch vor sich hin köchelte. Ich wollte sehen, ob wenigstens der eigens von Muttern gebackene Geburtstagskuchen das Dableiben lohnte.
Ach du liebe Zeit! O Graus - igitt! Da thronte dick und eklig eine Eierlikörtorte auf dem Tisch! Ausgerechnet! Ein einziges Mal hatte ich von dem Zeug probiert und kam gar nicht so schnell zum Klo, wie das Zeug oben wieder raus wollte …
Da half nur eines: Verdünnisieren, bevor mich jemand entdeckte.
Also schnell in den Keller, in meine Arbeitsklamotten geschlüpft und im Schweinsgalopp zum Forsthaus am Donoper Teich gerannt. Da gab es einen großen schwarzen Schäferhund (das war, bevor ich Dobbi hatte), mit dem ich immer in den Wäldern herumstrolchte.
Das Wetter und meine Laune passten wunderbar zusammen: grau und nieselig.
Aber als ich mit Sascha eine Weile unterwegs war, konnte ich den Tag doch noch genießen. Erst pilgerten wir zur Mordkuhle hoch, dann über den Kammweg zum Bielsteinsender und weiter zum Herrmannsdenkmal. Inzwischen war es dunkel, so daß ich den längeren Weg ganz durch das Heidental laufen musste. Der kurze steile Weg im Dustern - das habe ich nur einmal gemacht. Und war sehr schnell und leicht zerschrammt unten. Wer diesen Weg kennt, weiß, was ich meine …
Vergnügt kam ich nach Haus, mein fröhliches Pfeifen, untermalt von rhythmischem Magenknurren konnte die Nachbarschaft nicht hören. Wohl aber Mutterns oft geschrilltes Empfangsgeheul. Diesmal mit einer Neuerung am Schluss: “Du hast mir deinen ganzen Geburtstag verdorben!”
Die Allergie gegen den 22. Januar werde ich wohl nie wieder los
Hochgeladen am 08.11.2011 von fritz5148
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