Sonntag, 9. September 2012

Die Verblödungsbombe: Wie alles begann ...


KAPITEL I
Wie alles begann ...

"Gasalarm! Gaslarm!" schallte es drohend durch die lichten Wälder. Die Pflanzenorielle rollten ihre Blätter ein und schalteten ihren Stoffwechsel ab. Die Tierorielle gruben sich schnell in die lockere Erde oder suchten Zuflucht in tiefen Höhlen. Die Kopf- und Werkorielle eilten zur großen gasdichten Versammlungshalle. 

"Also", der Werkoriell leuchtete in den grellsten Farben, so aufgeregt war er.  "Seit zwei Zeitwechseln füttern wir die Hicks mit Gedankenenergie vom Blauen Planeten aus der Milchstraße. Und jetzt das!" 

"Nicht so ausschweifend! Was genau ist geschehen? Ihre Majestät, die Herrscherin der Ungenannten Galaxien möchte Fakten hören!" wies der Obere Kopforiell den Werkoriell milde zurecht. 

"Wir dachten, die Gedanken der Erdlinge seien gehaltvoll und gut zu verdauen. Nun stellt sich heraus, dass es hauptsächlich Flatulenzen sind. Es ist zu befürchten, dass sämtliche Hicks ihren Blähungen erliegen werden." 

Er wollte noch mehr sagen, da tönte ein ganz tiefer Gong, alles verstummte. Das war das Zeichen, dass die Herrscherin der Ungenannten Galaxien das Wort ergriff: 

"Wir müssen schnellstens etwas unternehmen: die Pflanzenorielle können nicht für immer ihren Stoffwechsel abschalten und die Tierorielle müssen auch wieder mal an die Luft. Ja, und wir können nicht für immer in dieser Halle bleiben. Also, ihr Kopforielle, ihr seid gefragt. Was schlagt ihr vor?" 

Wieder tönte der Gong, das Zeichen, dass die Kopforielle sich zu Wort melden durften. Aber keiner meldete sich. Na endlich einer: "Wir könnten einen Ausschuss bilden, der ..." 

Weiter kam er nicht, da ertönte schon wieder der Gong, die Herrscherin fauchte ihn an: "Für solche Spielchen haben wir keine Zeit, wir müssen sofort handeln, später könnt ihr einen Ausschuss bilden, der bestimmt, wer in den Ausschuss darf. Also, was ist jetzt?" 

Und wieder tönte der Gong, ziemlich drohend. Wieder langes Schweigen. Da, endlich meldete sich einer zu Wort, aber das war doch ein Werkoriell. Schon meldete ein Kopforiell Protest an: "Wir, die geistige Elite sind gefragt worden, nicht ein Werkoriell, was kann der schon sagen?" 

Der Gong, diesmal scharf wir ein Peitschenhieb, die Herrscherin: "Schweig, unsere Lage ist so ernst, dass wir uns alle Vorschläge anhören sollten. Also mein Freund, was wolltest du sagen?" Dann gongte es, richtig liebevoll diesmal. 

Der angesprochene Werkoriell nahm eine tiefrote Farbe an, er war gerührt, die Herrscherin hatte ihn persönlich angesprochen! Er schluckte mehrmals und begann zu sprechen: "Also, wenn unsere Hicks wegen der vielen negativen Gedanken von den Erdlingen auf dem Blauen Planeten so aufgebläht sind und bald platzen werden, können wir nicht diese vielen negativen Gedanken mit positiver Gedankenergie auslöschen, so wie bei Materie und Antimaterie? Da gibt es viel Energie und Energie können wir immer gebrauchen." 

Er wollte noch weitersprechen, aber die Kopforielle begannen zu diskutieren, ihre Farben wechselten immer schneller. Amüsiert betrachtete die Herrscherin ihre bunt schillernde Intellektuellenmeute. Dann reichte es ihr. Gong! 

"Der Vorschlag unserers Werkoriells gefällt mir sehr gut, und er leuchtet ein. Ich frage mich, wo wir positive Gedankenenergie auf dem Blauen Planeten finden werden?" Und mit "Was meinst du, lieber Freund?" wandte sie sich an den Werkoriell mit einem fast zarten Gong. 

Der Angesprochene wurde noch röter und fing leise an: "Also, vielleicht könnten wir die Vergangenheit des Blauen Planeten durchforsten, da gab es gewiss positive Gedanken. Zum Beispiel, der unbekannte Erdling, der das Rad erfunden hat. Oder das Feuer ..." 

Er wollte wieder weitersprechen, nur die einsetzende Kakophonie von Farben und Stimmengewirr der Kopforielle hinderte ihn. Es dauerte nicht lang, da hatten die Kopforielle diesen Vorschlag duchgerechnet, ihre Farben glichen einander an und ihre Stimmen verstummten. Gong! 

"Wie ich sehe, habt ihr euch geeinigt. Was schlagt ihr vor?" wandte sich die Herrscherin an den Obersten Sprecher der Kopforielle. Gong! 

"Wir werden einen Zeitabgraser bauen, der auf positive Gedankenenergie programmiert ist. Den werden wir auf den Blauen Planeten schicken. Sobald er auf seiner Zeitreise auf positive Gedanken stößt, wird er diese replizieren und zu unseren Hicks senden. Dann fallen die Blähbäuche unserer Hicks zusammen und wir haben diese Katastrophe verhindert!" schloss er selbstgefällig. Er wollte sich noch stolz zurücklehnen, da gongte es. 

"Gut, so machen wir es! Und wir sollten unserem Freund, dem Werkoriell, danken! Überhaupt, diese blöde Unterscheidung zwischen Kopf- und Werkoriell müssen wir überdenken. Sie ist nicht mehr zeitgemäß ..." murmelte die Herrscherin. Gong! 

Die Kopforielle wollten protestieren, aber sie trauten sich nicht, die Herrscherin fixierte sie mit den Bannstrahlen ihrer Augen. Sie machten sich an die Arbeit. Der Zeitabgraser war bald gebaut und programmiert und wurde als Satellit auf eine Umlaufbahn um den Blauen Planeten geschickt. 

Den Erdlingen fiel dieser neue Satellit nicht auf, sie hatten längst den Überblick verloren über den Schrott, der um ihren Planeten raste. Nur einer, er nannte sich Hermann Hohl, der stellte fest, dass ein Satellit mit merkwürdigen Eigenschaften um die Erde raste, er konnte dem ihm entgegenfliegenden Weltraumschrott ganz elegant ausweichen und er konnte seine Höhe beliebig verändern. 

Und Hermann Hohl beobachtete, dass merkwürdige Schwingungen von diesem Satellit ausgingen. Und zwar immer dann, wenn der Zeitabgraser positive Gedankenenergie replizierte und zu den Hicks schickte. Das aber ahnte Hermann Hohl nicht. 

Den Kopforiellen war ein kleines Malheur passiert: Sie hatten sich beim Sender etwas verrechnet, so dass von der replizierten Energie etwas in die Gegenwart der Erdlinge entwich. Für Hermann Hohl war es klar: Das war die Rückkehr des Zehnten Planeten, der jetzt wieder um die Erde raste. Also schrieb er ein Katastrophenbuch "Die Rückkehr des Zehnten Planeten".  

Und es gab noch jemanden, dem etwas auffiel: dem Geheimen Imperator, er residierte in den Stechpalmenwäldern, nahe der Stadt der Engel. Viele Erdlinge glaubten damals an Engel, und deshalb glaubten die meisten, dass der Geheime Imperator es mit den Erdlingen nur gut meinte. Das war nicht unbedingt der Fall. Er besaß viele Filmstudios, da ließ er pausenlos Filme produzieren, mit denen die Erdlinge überschwemmt und deren Gedanken vergiftet wurden. 

Ja, und diesem  Geheimen Imperator fiel auf, dass es plötzlich immer häufiger Kritik an seinen Filmen gab, nicht die üblichen gekauften Kritiken, die am Hungertuch nagende Schreiberlinge, meist frühere Lektoren, verbreiteten, nein, spontane Kritiken, von Erdlingen, die sonst als abgestumpft und gleichgültig galten. Und schlimmer noch: diese Kritiken waren berechtigt, das musste der Geheime Imperator zugeben, aber dass diese Kritiken im Netz der Netze sich rasant verbreiteten, das entsetzte ihn. Die Besucherzahlen für seine Filmproduktionen gingen zurück, die Verkaufszahlen für die Abspielscheiben seiner Filme sanken rapide. 

Zum ersten Mal in seinem Leben befiel den Geheimen Imperator eine Riesenangst, das hatte er noch nie erlebt. Angst davor, dass sein Lebenswerk in sich zusammenfiel. 

Er hatte natürlich von Hermann Hohl gehört. Seine Lieblingsgespielin sollte ihm das Buch vorlesen. Das wurde zu einem Fiasko, diese Frau sah zwar gut aus und gab im Bett alles, um ihn zu befriedigen, aber lesen konnte sie nicht. Selbst wollte er auch nicht lesen, also ließ er in seinem Firmenimperium nach einer hübschen Frau suchen, die des Lesens mächtig war. Er rief seine Topmanager zu sich, die standen stramm vor ihm und hörten seine Anweisung: "Sucht mir eine hübsche Frau, die noch richtig lesen kann!" Dann schickte er seine Handlanger auf die Suche. 

Die hatten sich auch schon Sorgen gemacht, um ihre Zukunft, da ja die Verkaufszahlen immer schneller schwanden. "Bestimmt hat der Imperator eine Riesenidee!" murmelte der eine. 

"Ganz bestimmt, der Imperator hat immer die Nase dafür, was das blöde Volk sehen will!" pflichtete ihm der andere bei.
Die Manager suchten lange, es war zum Mäuse melken, unter den Schönheiten war keine zu finden, die noch richtig lesen konnte. Der Imperator ließ täglich mehrmals nachfragen, ob sie schon eine Leserin gefunden hatten. Nein, sie hatten nicht. 

Der oberste Manager wusste, wenn er nicht bald eine Vorleserin präsentieren konnte, waren seine Tage gezählt. Er wusste auch, dass der Imperator für jeden Manager eine Lebensversicherung mit sehr hohen Prämien abgeschlossen hatte. Nutznießer war er, der Geheime Imperator. Und wenn einer seiner Angestellten einen Unfall hatte, dann kassierte er die doppelte Prämie. Ja, der Manager wusste, was ihm passieren könnte. Er goss sich mehre Cognacs hinter die Binde, legte sich auf sein Bürosofa und schlief ein. 

Dann meinte er zu träumen: Er sah eine Putzfrau, die ihren Staubsauger abgeschaltet hatte. Sie wollte den gewaltigen Manager nicht aufwecken, also setzte sie sich auf einen Stuhl und zog ein sorgfältig eingewickeltes Buch aus ihrer schäbig abgeschabten Tasche und begann zu lesen. 

Da merkte der Manager, dass er gar nicht träumte und sprach die Frau an: "He, Puppe, was liest du da für einen Schinken?" Die Frau schrak auf: "Sokrates" 

Sie zeigte ihm den Buchtitel, der Manager buchstabierte: "s o k r a t e s." Mit Fragezeichen im Gesicht. "Was soll das sein? Hört sich auswärts an." 

"Das ist griechisch, Sokrates ist einer meiner liebsten Philosophen." 

"Aha, heißen die Filmfritzen in Griechenland Philosophen?" 

"Nein, als Sokrates lebte, da gab es noch keine Filme." 

"Keine Filme? So etwas gibt es doch nicht! Keine Filme. Du veräppelst mich wohl. Was liest Du denn gerade? Lies mal vor!" 

Mit ihrer leicht vibrierenden Altstimme fing die Frau an: "oida ouk eidos ..." 

"Halt, das versteh ich nicht! Ich spreche nicht griechisch, übersetz das mal!" 

"Ich weiß, dass ich nicht weiß ..." 

Da unterbrach sie der Manager: "Hört sich komisch an, aus welchem Film ist das? Hab ich noch nie gehört!" 

"Das stammt aus keinem Film, Sokrates lebte 400 Jahre vor unserer Zeitrechung ..." 

"Quatsch! So alte Filmstudios gibt es doch gar nicht. Aber du gefällst mir, du kannst lesen, hast eine schöne Stimme. Los, zieh mal deinen Putzkittel aus." 

Zögernd zog die Frau ihren Kittel aus, sie hatte Jeans und ein Achselshirt an. Der Manager beguckte sie beifällig von oben bis unten: "Das müsste gehen! Ich habe einen Job für dich! Wie heißt du eigentlich?" 

"Monica ..." 

"Monica, ja das passt! Also du hast jetzt einen neuen Job!" 

"Was ist das für ein Job?" 

"Nichts Schlimmes, du musst nur vorlesen." 

"Nur vorlesen? Wem?" 

"Das erfährst du später, ich ruf meine Assistentin", sprach er und drückte auf einen roten Knopf. Wenig später öffnete sich eine Geheimtür und seine Assistentin kam, blond, langbeinig, im halbdurchsichtigen Negligé, halb offen. "Schnurzi, ich hab schon geschlafen, was ist los?" 

"Hör mal, das ist Monica, die richtest du etwas her, besorgst ihr schicke Klamotten und dann kommt ihr wieder her, hast du 
verstanden?" 

"Wo soll ich mitten in der Nacht Klamotten für die da herkriegen? Ist das meine Nachfolgerin?" 

"Nee, du bleibst mir erhalten. Und Klamotten kriegst du im Filmstudio Drei-Icks, die drehen rund um die Uhr. Die Buchhaltung hat denen einen ganzen Container Klamotten hingeschickt, dabei brauchen die beim Drehen kaum Klamotten ... Du kannst dich beruhigen, das ist nicht deine Nachfolgerin. Also hopp!" 

Mit einem Klaps auf den Hintern entließ er seine Assistentin. Kaum waren die beiden weg, baute er eine Bildkommunikation mit dem Geheimen Imperator auf. Er setzte sich in Position. Da tauchte auf der Bildanzeige der Imperator auf, sitzend in der Badewanne, er ließ sich von zwei rassigen Schauspielerinnen aus dem Studio Drei-Icks massieren. Unwirsch knurrte er: "Was störst du mich? Du siehst doch, dass ich beschäftigt bin!" 

"Imperator, ich habe eine Vorleserin gefunden, genau die richtige für dich!" 

"Prima, schick sie gleich rüber, in einem Blitz-Taxi!" Dann erlosch die Anzeige. Erleichtert schaltete der Manager die Kommunikation ab: "Ich glaube, da habe ich noch Glück gehabt. Der Imperator wollte mich schon verunfallen lassen, er schaute so komisch ..."


Fortsetzung: Die Bruderschaft der Bilder

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Hochgeladen von Uuuulf am 28.08.2007
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