Vater ein deutscher Ingenieur, der im II. Weltkrieg in Peenemünde an der Entwicklung der V2 mitwirkte, Mutter Mongolin, die in die Rote Armee eintrat und für die Industriespionage in die DDR abkommandiert wurde. Aufgewachsen in der mongolischen Steppe bei Nomaden. Als ich noch ein Kind war, hat der Schamane in mir eine Schamanin erkannt. Das wollte ich aber nicht sein und auch nicht werden. Aber ich konnte vor meiner Bestimmung nicht davon laufen.
Donnerstag, 22. November 2012
Das Forschungsfossil - Aber hier unten lassen Sie doch wohl niemanden rein?! - Blog von Kiat Gorina
Schon 1982, als ich ein Praktikum in der ehemaligen Bundesforschungsanstalt für Getreide- und Kartoffelverarbeitung in Detmold machte, gab es dieses eingestaubte Fossil im so genannten Technikum. Das lag im Keller, und das war auch gut so.
An meinem ersten Tag führte mich Horst M., der wortführende LTA - landwirtschaftlich-technische Assistent - in der mikrobiologischen Abteilung herum. Und auch in dem bewussten Kellerraum. Mit großer Geste wies er auf einen monströsen Aufbau: "Und das hier ist unser Fermenter! Er hat weit über 100.000 DM gekostet! In ihm fahren wir äußerst wichtige Versuche! Von ihm lassen Sie gefälligst die Finger! Das ist nichts für eine Praktikantin!"
Mit leichtem Schaudern betrachtete ich das fast vier Meter lange Trumm. Es sah irgendwie nach einer Art futuristischer Küchenzeile aus. Edelstahl, viele Knöpfe, Schläuche und Skalen. In der Mitte thronte das "Herzstück", ein riesiger Glasbehälter, in dem keimfreie Bakterienlösungen beim Wachsen und Gedeihen gemessen und beobachtet werden konnten.
Aber, wie kam dann diese kleine tote Spinne in den Behälter? Und wieso waren all diese durchsichtigen Schläuche innen so vergrünt und gammelig? Unter manchen Schaltern quoll so eine bräunliche Masse hervor. Sah aus wie Rübensirup, war es aber ganz sicher nicht. Und dicke verstaubte Spinnweben sollten da auch nicht herumhängen.
Uff, endlich! Der heftig nach Rasierwasser duftende Horst M. entfleuchte mit den Worten: “Sehen Sie sich erst mal alles in Ruhe an, vielleicht begreifen Sie dann schon mal, dass es in der Mikrobiologie immer ordentlich und steril aussehen muss!”
"Ja, aussehen ...", rutschte es mir heraus, den Rest konnte ich mir gerade noch verkneifen. Hoffentlich ging dieser Mensch bald. Die Rückseite des Fermenters zog mich magisch an ...
Schnell schlüpfte ich zwischen Fermenter und Kellerwand: Donnerwetter! Das war ja besser als im Zoo! So ein reges Insektenleben hatte ich zuletzt in einem Vorratslager der sowjetischen Armee gesehen!
Ameisen, die verschiedensten kleinen und größeren Käfer gaben sich zwischen Staub, Spinnweben und sogar herein gewehten Blättern ein munteres Stelldichein! Was mit dieser einst so teuren Edelstahlruine noch untersucht werden sollte, blieb mir schleierhaft.
Ja, und dann kam das Jahr 1988! Ich forschte für meine Diplomarbeit in Mikrobiologie. In Detmold. In eben diesem Technikum! Und was stand da immer noch? Eben jener große Fermenter. Ich wollte auch Versuche im Fermenter machen. Allerdings mit dem kleinen, handlichen, billigeren und - ganz wichtig - sauber sterilen Fermenter.
So ganz allein war ich tagsüber selten im Technikum. Dieses Institut war ein Renommierstück in der internationalen Forschung. Bis aus Japan kamen Gäste, um die Bundesforschungsanstalt, insbesondere die Mikrobiologie zu besichtigen.
Dann ging der alte Leiter der Mikrobiologie, Doktor Spicher, in Pension. Er war ein eher in sich gekehrter Gelehrtentyp. Den großen Publikumsverkehr überließ er lieber seinem Assistenten Horst M. Sein Nachfolger wurde Doktor Röcken. Auch diesen Doktor führte Horst M. überall herum. Auch ins Technikum. Die beiden traten ein.
Mit großer Geste wollte der gute Horst M. wieder seinen famosen Fermenter vorführen. Soweit kam es nicht.Doktor Röcken erblickte das verstaubte Monstrum mit den Gammelschläuchen, erbleichte und fragte scharf: "Aber hier unten lassen Sie doch wohl niemanden rein?!"
Vielleicht war es für seinen Seelenfrieden gut, dass die japanische Forschergruppe das Technikum kurz zuvor verlassen hatte.
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