Donnerstag, 20. Dezember 2012

Schauerliche Sangesfreuden - Blog von Kiat Gorina


Musik wird störend oft empfunden, weil sie mit Geräusch verbunden. So sagte schon Wilhelm Busch.

Eigentlich könnte das auch Gesang heißen. Auch der kann manchmal gewaltig stören. Da gibt es Sängerinnen, die mit ihrem durchdringenden schrillen Sopran Mensch und Hund in die Flucht singen können. 

Oder meinen Vater. Seine Singstimme war schon waffenscheinpflichtig! So hoch, dünn, schief und dazu noch krähend. Ein Wunder, dass es bei uns überhaupt noch heile Trinkgläser und Fensterscheiben gab ...

Meine Hündin Dobbi und ich lieferten uns öfter unfreiwillige Wettrennen,wenn der Gesang losging: wer ist zuerst draußen?

Wenn doch mal jemand bei uns vorbeischaute und so eine Gesangseinlage miterlebte, fragte er ganz verdutzt: "Sag mal, ist dein Vater noch ganz normal?" 

Das galt Vaterns Liedern. Wenn ihm ein ganz bestimmtes gerade besonders gefiel, konnte er sich daran festsingen, will heißen: so zehn bis zwanzig Mal sang er es dann. Aber mit allen Strophen! Und die Lieder passten nicht so wirklich zur Jahreszeit. Mitten im Sommer "O Tannenbaum", "Süßer die Glocken nie klingen" oder "Ihr Kinderlein kommet" ist schon gewöhnungsbedürftig. 

Dafür erfreute Vatern uns an einem Heiligabend mit "Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus ..." Bis zum Abend, kurz vor der so genannten Bescherung kam der Mai. Und das passte ja nun wirklich nicht.

Manchmal pfiff Vatern auch etwas zur Abwechslung. So richtig zackige Sachen. Einmal kam ich dazu und traute meinen Ohren nicht. War ich denn besoffen? Ob Vatern wusste, was er da pfiff?

Das war nämlich die Internationale! Was auch sehr oft bei uns erschallte, war das Horst-Wessel-Lied, "Wir fahren gegen Engeland" oder Vaterns heiß geliebte "Wacht am Rheine".

"Flamme mit loderndem Scheine von den Gebirgen am Rheine ...", so schallte (nein, quäkte) es im Treppenhaus. Dabei marschierte Vatern jedesmal zackig auf der Stelle.

Und bei "Flamme empor! Flamme empor..." reckte er wirklich jedes Mal den Hals und den Kopf steil nach oben. Genau wie ein trinkendes Huhn. Die sind beim Schlucken auch immer so lang und dünn nach oben gereckt.

Na dann: Flamme empor, du heroisch schluckendes internationales Huhn!




Hochgeladen von eintitan2 am 13.11.2008

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