Montag, 27. August 2012

Arisches Blut und die Sache mit dem unsichtbaren Claus - Blog von Kiat Gorina

Da gibt es eine Sache, die mich doch etwas belastet: mein deutscher Vater war bis zuletzt ein bekennender Nazi und Reichsjunker - das waren die blond-blauäugigen Befruchter für rein arische Frauen. 

"Sieh mich an! Mein arisches Blut darf keinesfalls verwässert werden! So wie ich sehen die Menschen der Zukunft aus!" So und ähnlich krähte mein Vater oft "herrisch" mit seiner dünnen Stimme. 

 Ach du liebe Zeit, wie schrecklich. Dieser dürre Kerl mit seinen schmalen Schultern, den spitteligen Beinen und dem garstig-hinterhältigen Gesicht hätte eher in so einen drittklassigen Gangsterfilm gepasst. Es ging aber noch weiter: "Meine Söhne Claus und Wotan sind mir wie aus dem Gesicht geschnitten! Sie haben auch außerordentliche Fähigkeiten, von denen Nicht-Arier nur träumen können ..." 

Ich unterbrach seine Tirade: "Moment mal! Claus ist doch der Sohn von deiner Schwester! Das ist Inzucht!" 

"Davon verstehst du nichts! Nur so können die Eigenschaften unseres Blutes verstärkt werden!" Hier reckte er stolz sein Kinn und seine Hühnerbrust. Und mir wurde es schwül. 

Mein Halbbruder Wotan neigt - wie mein Vater - zu hysterischen Ausfällen und möchte sein Fläschchen am liebsten gar nicht aus der Hand legen. Nein, nicht sein Milchfläschchen. Aus dem Alter war er doch herausgewachsen. 

Und sein Bruder Claus? Die beiden sehen sich verdammt ähnlich, könnten Zwillinge sein. Jedenfalls zeichnet sich Claus durch eine extreme Sehschwäche aus. Meine Stiefmutter konnte er offenbar nicht sehen. Selbst wenn sie dicht vor ihm stand. Bei mir war es genauso. 

Fast jeden Samstag trafen mein Vater und ich Claus bei Karstadt in Detmold. Komischerweise immer oben direkt vor der Rolltreppe. Nachdem Claus mich einmal vollends überrannt hatte und mir dann noch auf die Hand getreten war, stand für mich fest: "Dieses Exemplar braucht einen Blindenhund! Dringend! Der Hund muss aber einen Pilotenschein haben, weil der liebe Claus ja auch fliegt."  

Eine andere - offenbar arische - Eigenschaft ist die, dass Claus sich unsichtbar machen kann! Nein, das ist jetzt kein Witz! Das kam bei der Trauerfeier für meinen Vater heraus. Genau zehn Jahre zuvor war meine Stiefmutter an Krebs gestorben. Mein Vater tönte noch: "Sie kommt bald nach Haus!" Da lag sie aber schon im Sterben. 

Ich hatte im Krankenhaus angerufen. Dort riet man mir, schnellstens zu kommen. Das tat ich auch. Ganze zehn Tage und Nächte blieb ich bei ihr im Krankenhaus. Ich hatte sie eigentlich nicht gemocht. Aber sie sollte nicht allein sterben. Dann war sie endlich erlöst. 

Und bei der Trauerfeier meines Vaters berichtete der Pfarrer mit vor Rührung bibbernder Stimme, dass der gute Claus in Mutterns letzten acht Lebenstagen nicht von ihrer Seite gewichen sei. 

Komisch, ich habe ihn nicht gesehen. Demnach kann er sich unsichtbar machen! Wenn Inzucht Unsichtbarkeit bewirkt, dann wäre das doch höchst interessant für die Militärs. Ich persönlich sehe das anders. Dass so ein Mensch geistig einen ziemlichen Schaden haben muss, allein was Realitätswahrnehmung angeht ...


Veröffentlicht am 26.07.2012 von GDN1930bis1939 

Veröffentlicht am 22.07.2012 von Fynn1579
besucherzhler

2 Kommentare:

  1. Dass es so schlimm mit dem Rassenwahn war, das wusste ich nicht

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  2. So schlimm hatte ich mir das auch nicht vorgestellt

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